Rund neun Monate würde ein ICE 2 ausfallen, wenn die sogenannte "Kastenkulisse" getauscht und auf herkömmlichem Weg beschafft werden müsste: Das 30 Kilogramm schwere Edelstahl-Teil ist unter dem Wagenkasten montiert, damit das Fahrzeug sicher in jeder Kurve liegt. Für solche Gussteile sind heutzutage monatelange Wartezeiten üblich. "Wir haben geprüft, ob die Kastenkulisse sich auch im 3D-Drucker herstellen lässt und welches Verfahren in Frage kommt", sagt Stefanie Brickwede, gemeinsam mit Florens Lichte leitet sie das Konzernprojekt 3D-Druck bei der Deutschen Bahn. "Nach dem positiven Ergebnis ging es sofort mit dem Design, der Zertifizierung und Freigabe des sicherheitsrelevanten Teils weiter. Bis der ICE wieder auf der Schiene parat stand, vergingen gerade einmal vier Monate. Trotz der Vorarbeiten, die bei einem Piloten notwendig sind, haben wir die Standzeit also um ein halbes Jahr verkürzt."
Die schnellere Verfügbarkeit von Ersatzteilen ist aber nur ein Vorteil des 3D-Drucks. Es lassen sich auch Bauteile fertigen, die beim Hersteller nicht mehr erhältlich sind. Die DB Fahrzeuginstandhaltung ließ zum Beispiel ein Turbinenschaufelrad einer alten Dampflok drucken, das nirgendwo mehr lieferbar war. Auch von deutlich geringeren Herstellungskosten können Kunden profitieren. Das gilt vor allem bei Teilen mit hohem Individualitätsgrad. Für DB Station & Service wurden etwa Handlaufschilder mit verschiedenen Ortsangaben in Blindenschrift gefertigt. Die Titan-Teile aus dem 3D-Drucker waren rund fünfzig Prozent günstiger als im spanenden Verfahren.
Gebündelte 3D-Druck-Kompetenz
Das Konzernprojekt 3D-Druck ist bei der DB Fahrzeuginstandhaltung angesiedelt. Seit dem Startschuss vor vier Jahren hat das Team ein breites Netzwerk zertifizierter Dienstleister und Lieferanten aufgebaut, die auf verschiedene 3D-Druck-Gebiete spezialisiert sind. Kunden profitieren von der Bündelung des Know-hows: Das 3D-Druck-Team hat Erfahrung mit den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern, Materialien und Druckverfahren. Über 10.000 Teile wurden bereits hergestellt. Allein in diesem Jahr werden es weitere rund 7.500 sein - von Kopfstützen über Lüftungsgitter bis hin zu Gehäuseabdeckungen. Neue Verfahren und Materialien werden ständig erforscht und getestet.
Innovative Ideen für neue Anwendungsfelder
Um neue Anwendungsfelder zu entdecken, setzt das Team auf eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen, die täglich rund um Fahrzeuge und Schiene im Einsatz sind. "Unsere Werkstattmitarbeiter, aber auch Lokführer, Service-Mitarbeiter und Co. sind aufgrund ihrer Erfahrung wichtige Impulsgeber", so Florens Lichte. "Sie arbeiten dort, wo Ausfallquoten von Zügen ihren Ursprung haben und identifizieren für uns Fahrzeugteile, die sich für den 3D-Druck eignen könnten. Die Ideen prüfen wir dann auf Umsetzbarkeit." Die Anregung zur gedruckten Kastenkulisse war übrigens ein Beitrag zum konzernweiten "3D-Druck Mitarbeiter-Wettbewerb", den die DB Fahrzeuginstandhaltung dieses Jahr zum zweiten Mal ausrichten wird. Die innovativen Lösungen, die im 3D-Druck-Kompetenzcenter dank der konzernweiten Zusammenarbeit entstehen, lohnen sich für die gesamte Branche. Aus diesem Grund wurde das Projekt letztes Jahr von einer Fachjury als "Konzernprojekt des Jahres" mit dem "DB Award" ausgezeichnet.